Prolog - Lissa

Manchmal treffen einige Menschen die falschen Entscheidungen. Es muss nicht unbedingt mit voller Absicht oder aus freiem Willen geschehen, doch an diesem lauen Sommerabend waren sich die versammelten Dorfbewohner bewusst, welchen Qualen sie diesem hübschen Geschöpf aussetzen würden.

Jeder wusste genau, warum diese schreckliche Tat eigentlich geschehen sollte, so bemühte sich jeder um die richtigen Vorbereitungen.

Schwere, raue Äste, kleine, dunkelbraune Zweige und getrocknetes Schilf wurden mühsam gesammelt und zu einem großen Haufen aufgeschichtet. Die jüngeren Kinder wurden in ihre heimatlichen Häuser geschickt, um ihre zerbrechlichen Seelen vor diesem Ungeheuer zu beschützen und vermutlich auch, um ihren unschuldigen Verstand nicht mit dem Anblick verkohlten Fleisches zu beschmutzen.

Langgezogene Schreie erklangen in der weiten Ferne und unter den wartenden Menschen machte sich Unruhe breit. Jeder von ihnen hatte tief in seinem schlagenden Herzen Angst.

Eine erstickende Welle tief sitzender Furcht überrollte alles und jeden, baute sich an den kreisförmigen Rändern des kiesbestreuten Platzes wie eine massive Wand auf, und schien die zitternden Lebewesen erdrücken zu wollen. Niemand sprach, als nun endlich das junge Mädchen auch den Platz geschubst wurde. Rabenschwarzes Blut lief als dünnes Rinnsal an ihrem schlanken Hals hinab, besudelte ein silbernes Medaillon, welches an einem dünnen Kettchen bis auf ihre, sich mit jedem Atemzug hebende und senkende, Brust reichte.

Ihr einstmals schönes Kleid war nun zerrissen und befleckt. Keiner der beobachtenden Anwesenden konnte behaupten, dass sie hässlich sei, denn etwas unmenschlich Schönes umgab sie.

Hinter dem sich windenden Wesen war, ohne auch nur von einer Menschenseele bemerkt zu werden, ein junger Mann aufgetaucht. Die braunen Haare, sowie sein ansehnliches Gesicht waren unter einer schwarzen Maske verborgen, für die Öffentlichkeit völlig unkenntlich, wie es einem Henker gebührte. Einzig seine dunkelblauen Augen funkelten die erwartungsvollen Umstehenden an.

Die gespannten Blicke der neugierigen Anwesenden richteten sich wieder auf das bevorstehende Geschehen. Es war nicht so, dass dieses mysteriöse Ereignis erstmalig statt finden würde, aber doch war es jedes Mal etwas Besonderes.

Der maskierte Herr packte das blasse Mädchen am zarten Handgelenk und zerrte sie mit roher Gewalt auf den raschelnden Berg zu. Dies war bei Weitem nicht das endgültige Ziel dieser schon zig Male durchgeführten Aktion. Denn er schliff sie weiter nach oben, hinauf auf die Spitze des wackeligen Hügels aus Holzstücken, Heu und anderen brennbaren Gegenständen.

Ihre Arme wurden um einen dicken Pfahl geschlungen und mit einem faserigen Seil fixiert.

Während der muskulöse Mann wieder auf dem steinigen Boden landete, verweilte die „Hexe“ auf dem für sie errichteten Scheiterhaufen. „Hexe!“ „Monster!“ Erklang es von allen Enden des Platzes. Dann gingen die trockenen Hölzer in lodernde, verschlingende Flammen auf.

Erst zeigte sich Pein auf dem niedlichen Gesicht des Mädchens. Ihre silbrigblonden Locken begannen ein wenig zu schwelen. Als jeder schon glaubte, dass es jetzt zu Ende mit diesem Geschöpf sein würde, begann dieses einfach zu lachen. Die Fesseln waren vollkommen verbrannt, aber an den makellosen Handgelenken klebte nur Ruß. „Ihr Narren! Glaubt ihr wirklich, man könnte ein magisch begabtes Wesen einfach in Flammen aufgehen lassen!?“ Ihre grünen Augen blitzten belustigt, während sie ein paar Schritte in Richtung des Bodens tat. Die verängstigten Leute wichen zurück, um der hinab steigenden Gestalt Platz zu machen. „Ich bedanke mich untertänigst für eure Gastfreundschaft.“ Ein letztes Mal drang Gelächter über den mit geschockten Menschen belagerten Platz. Dann war es still.

 

Die Nacht brach herein und die ersten Sterne zeigten sich. Sie beleuchteten ein Szenario, dessen Grauen kaum jemand in Worte zu fassen vermochte. Überall lagen blutleere, entstellte Leichen. Nur einige wenige Bewohner hatten sich verletzt in Sicherheit bringen können.

 

An jedem der herumliegenden Opfer prangte tief ins Fleisch gebrannt, eine gut lesbare Nachricht, welche mit geschwungener Schrift folgende Botschaft bildete: `Ich kehrte wieder und die Rache war mein! ´ 

 

~ 10. Januar.15